Eugen sucht eine Frau. Oder: Die Geschichte einer schwimmenden Kontaktanzeige

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Eugen fährt als Steuermann auf den Schiffen der Rössler-Linie mit.

Vor ein paar Wochen bin ich auf einem Schiff der Rössler-Linie zwischen Rüdesheim und Burg Rheinstein unterwegs gewesen. Als ich an Bord ging, fiel mir ein handgeschriebenes Schild auf, das an ein Schwarzes Brett direkt am Eingang des Schiffs gepinnt war. “Matrose sucht Meerjungfrau”, war darauf zu lesen, zusammen mit einer Handynummer. Ich fotografierte das Schild und rief eben diesen Matrosen an. So traf ich Eugen, der mich zunächst für einen männlichen Verehrer hielt, sehr gut englisch und passabel deutsch spricht; und gut Suppe kocht.

“Hallo, ist dort der Matrose, der eine Meerjungfrau sucht? Hier spricht der Burgenblogger. Ich würde Sie gerne treffen.” Ungefähr so hatte ich mich bei unserem ersten Telefonat vorgestellt. Und nicht bedacht, dass am anderen Ende der Leitung jemand sein könnte, dessen Deutsch nicht ganz perfekt ist. Das Missverständnis war jedenfalls perfekt. Erst, als Eugen Zdrafu sein Handy an Bianka Rössler weitergibt, klärt sich alles auf. Mein Interesse ist rein beruflicher Natur, aber durchaus ernst gemeint. Nachdem das geklärt ist, lädt mich Frau Rössler auf ihr Schiff ein, um Eugen kennenzulernen. Sie ist seine Chefin; und zur Zeit mehr oder weniger die einzige Frau im Leben des 34-jährigen Rumänen.

Der 34-Jährige Rumäne lebt seit fast drei Jahren in Deutschland.
Der 34-Jährige Rumäne lebt seit fast drei Jahren in Deutschland.

Aufgewachsen ist Eugen Zdrafu in Orschowa an der Donau, zehn Kilometer an von der serbischen Grenze entfernt. Dort entdeckt er seine Liebe zur Schifffahrt. Seit 2004 fährt in ganz Europa auf unterschiedlichen Schiffen die Flüssen und Kanäle rauf und runter. Er malocht auf holländischen Frachtern, fährt später mit Flusskreuzfahrern von Amsterdam bis Budapest. Für ein paar Jahre kehrt er wieder in die rumänische Heimat zurück, doch dann spürt er die Sehnsucht nach dem Wasser. Und bewirbt sich bei der Rössler-Linie als Steuermann auf dem Rhein.

Es ist jetzt fast drei Jahre her, dass Bianka Rössler den Lebenslauf von Eugen auf dem Schreibtisch hatte. Internationale Bewerbungen sind in der Schifffahrt nichts Ungewöhnliches. Unter den zwölf Angestellten der Linie sind sechs Nationalitäten. Ungewöhnlich findet Rössler etwas anderes: Die Bewerbung ist ordentlich verfasst und vollständig. Sie ist es gewohnt, dass sich Bewerber auch mal nur mit einem Anruf melden, der mit der Frage beginnt: “Hast du Arbeit?” Einen Tag später meldet sich auch Eugen Zdrafu telefonisch, fragt höflich nach, ob alle Unterlagen angekommen sind. Das findet Bianka Rössler anständig und beschließt, dem unbekannten Rumänen eine Chance zu geben. Der spricht zwar kaum ein Wort Deutsch, dafür aber fließend Englisch. Damit kommt er bei den internationalen Touristen problemlos durch. Und Deutsch kann man ja lernen.

Inzwischen ist Eugen ein geschätztes Crewmitglied bei Rössler. Sein bester Kumpel ist Schiffsführer Maxim Fedoseev. Der gebürtige Ukrainer lebt seit 20 Jahren in Deutschland und hat Eugen unter seine Fittiche genommen. Auch was soziale Kontakte angeht. Momentan beschränken die sich abseits der Arbeit auf zwei Kanierenvögel. “Eugen braucht eine Frau”, sagt Max, wie den Kapitän an Bord alle nennen. Selbstredend weiß er auch am besten, was sein Kumpel braucht: “Natürlich” soll die potenzielle Herzensdame sein und “was im Kopf haben”, erklärt Max. “Das mit dem Schild war meine Idee”, sagt er stolz. Ob Maxims Verkupplungsversuche wirklich was taugen, muss sich allerdings noch herausstellen. Viele Dates, das räumen er und Eugen ein, sind auf diese Weise noch nicht herausgekommen. Genau genommen, gab es bis jetzt nur Scherzanrufe. Was ein bisschen schade ist, denn Eugen macht einen sehr netten Eindruck.

Auf dem Schiff kommt er gut klar. Im Gespräch mit englischen Touristen wirkt der sonst eher zurückhaltende Rumäne sogar richtig locker. Mit denen quatscht er entspannt über den Brexit und die zweite englische Fußballliga. Kleine Laster wie zu viel Schokolade und Rauchen (“Ich will aufhören, aber es ist schwer.”) wiegt Eugen mit seinen Kochkünsten auf. Auf seine rumänischen Suppen schwört jedenfalls auch die Chefin. Ein großes Ziel hat er noch (neben dem Finden der Traumfrau): Irgendwann möchte er wie Kumpel Maxim selbst am Steuer eines Schiffs stehen. Damit der Matrose Kapitän werden kann, muss sein Deutsch noch besser werden. Aber vielleicht könnte die gesuchte Meerjungfrau ja auch dabei behilflich sein.

Aus Diskretionsgründen verzichte ich darauf, die “Matrose sucht Meerjungfrau”-Anzeige hier im Blog zu posten. Es ist schon ein Unterschied, ob eine Handynummer, auf einem kleinen Rheinschiff aushängt oder im Internet aufzufinden ist. Wer Eugen ernsthaft kennenlernen möchte, kann sich bei mir melden. Ich leite den Kontakt sehr gerne weiter. Einfach eine E-Mail an “moritz@burgenblogger” mit dem Betreff “Eugen” schicken.

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