„If I go back, I’m dead.“ – Mein Treffen mit Geflüchteten im neuen „Café Global“ in Oberwesel

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Treff im Flüchtlingscafé in Oberwesel.

Das gibt es im Café Global, dem neuen Treff der Flüchtlingshilfe in St. Goar und Oberwesel: Eine gute Fee. Einen Helfer, der einfach Arabisch lernt, wenn die Geflüchteten noch kein Deutsch sprechen. Und einen Mann, dessen Fluchtgeschichte mich sprachlos macht.

Bilder im Flüchtlingscafé Oberwesel.

Davids Stimme wird immer leiser, als er mir von seiner Flucht aus Eritrea erzählt. Neben uns streiten Kinder in der Spielecke des Cafés um ein paar Legosteine. Ein paar Gäste versuchen gemeinsam mit “Bufdi” Matthias Braun ein Kabel für den Internet-Router zu verlegen. Reinhold Kroll, einer der Initiatoren des ökumenischen Arbeitskreises für Flüchtlinge, geht mit einem anderen Gast einen Stapel Papierkram durch. Davids Stimme hat es zunehmend schwerer, gegen den betriebsamen Lärm zu mir durchzudringen. Ich rücke näher an ihn heran, um ihn besser verstehen zu können.

Das Flüchtlingscafé in der Liebfrauenstraße in Oberwesel ist die neueste Initiative des Arbeitskreises für Flüchtlinge. Entstanden ist dieser, nachdem 2014 die ersten Geflüchteten aus Somalia in der Verbandsgemeinde ankamen. Judith Terhag, Leiterin der Tafel St. Goar/Oberwesel, war eine der ersten, die mit den Menschen in Kontakt kam und feststellte, dass die hier völlig auf sich allein gestellt waren. Aus ersten Treffen von Menschen, die helfen wollten, bildete sich schließlich Anfang 2015 der ökumenische Arbeitskreis. Neben Terhag und Reinhold Kroll gehören Friedhelm Wessling, Gemeindereferent der katholischen Kirche, und Tanja Paschek vom Haus Goldemund in Engehöll zum harten Kern der Helfer. “Insgesamt sind wir etwa 20 Leute, die regelmäßig was machen”, sagt Kroll. Sie begleiten die Geflüchteten im Alltag, fahren sie zu Behördengängen, helfen, ein Konto zu eröffnen und eine Wohnung zu finden oder gehen mit ihnen einkaufen. Auch Deutschkurse gehören dazu.

Osama (Mitte) kommt aus Afghanistan. Samuel (links) und David sind aus Ertirea geflüchtet.

Ich frage David, ob er schon begonnen hat, Deutsch zu lernen. “Ich heiße David”, antwortet er. Das Erlernen der Sprache hat hohe Priorität – für uns Deutsche, die das zur Vorraussetzung für einen dauerhaften Aufenthalt machen. David wirkt auf mich, als würden ihn derzeit andere Dinge beschäftigen als das Lernen einer Fremdsprache. Erst vor vier Monaten ist er in St. Goar angekommen. Zumindest nach außen will er sich nicht anmerken lassen, was er durchgemacht hat. “I’m happy here. I can go to church”, sagt der gläubige Christ immer wieder. Doch je länger wir uns unterhalten, umso mehr dringt durch, welche Traumata David durchlebt haben muss auf seinem Weg in die Freiheit.

Vor zwei Jahren hat er seine Heimat verlassen: Eritrea, eines der schlimmsten Länder der Welt. David berichtet, wie radikale Muslime Jagd auf Christen wie ihn machen. Seine Stimme stockt. Als wäre sein vergangenes Leben ein in tausend Scherben zerbrochenes Tongefäss, das nun mühsam wieder zusammengeklebt werden muss, berichtet er in kurzen, abgehackten Sätzen von immer mehr Grausamkeiten. Familienmitglieder entführt und ermordet. Gefängnis. Folter. Die Flucht durch die Wüste und übers Mittelmeer ein einziges Martyrium, dass viele seiner Mitstreiter nicht überleben. Es ist der blanke Horror. “You understand what I’m saying?”, fragt er mich mehrmals. Ich nicke nur wortlos. Ich höre, was er sagt, aber kann ich es wirklich verstehen? 5.000 US-Dollar haben seine Eltern an Schlepper bezahlt, um ihn aus dem Land zu schaffen. Unwahrscheinlich, dass er sie je wiedersehen wird. “If I go back, I’m dead”, sagt er. In St. Goar wartet er jetzt darauf, dass ein neues Leben anfängt.

Ob Alketa Doda aus Albanien ihren Traum lebt, weiß ich nicht. Aber zumindest macht es sie glücklich, wenn sie im Café ein wenig mithelfen kann.
Ob Alketa Doda aus Albanien ihren Traum lebt, weiß ich nicht. Aber zumindest macht es sie glücklich, wenn sie im Café ein wenig mithelfen kann.

Die meisten der rund 90 Geflüchteten sind noch nicht anerkannt und warten aufs Asylverfahren. Es ist ein trister Alltag, und ich spüre bei vielen, wie gut es ihnen tut, im Flüchtlingscafé etwas Beschäftigung zu haben. Die albanische Roma Alketa Doda wuselt emsig zwischen den Tischen herum und serviert jedem Neuankömmling ungefragt einen Kaffee. Damit hat sie sich bereits den Titel “Gute Fee” verdient. Als es darum geht, den Computer an den Start zu bringen, sind schnell vier Leute damit beschäftigt, ihn ordnungsgemäß zu verkabeln. Endlich was zu tun!

Im Laufe des Nachmittags wird die Stimmung im Café zunehmend heiter. Auch David sehe ich irgendwann lachen, als Matthias Braun ein paar Brocken seiner Arabisch-Kenntnisse zum Besten gibt. Matthias leistet Bundesfreiwilligendienst bei der Gemeindeverwaltung in Oberwesel. Er hat extra einen VHS-Kurs besucht, um Arabisch zu lernen und sich mit den Geflüchteten verständigen zu können. Wörter wie منزل (“Haus”) oder التسوق (“Einkaufen”) können in der Verständigung manchmal Wunder wirken. Gerade schaukelt er einen Kinderwagen, um ein Baby zu beruhigen. Was ziemlich gut seine Aufgaben in der Arbeit mit den Geflüchteten beschreibt: “Ich mache alles”, sagt der 20-Jährige.

Engagierte Helfer wie Matthias werden am am dringendsten gebraucht, sagt Tanja Paschek. Menschen, die bereit sind, die Geflüchteten im Alltag zu unterstützen. Besonders gefragt: Fahrdienste, um die Menschen von den Dörfern zu den Ämtern oder zum Treff ins Café zu bringen. Auch Praktikumsplätze, um einen ersten Schritt in eine Beschäftigung machen zu können, sind wertvoll. Wer als Helferin oder Helfer oder mit einer Spende den Arbeitskreis unterstützen möchte, kann sich auf dessen Webseite dazu informieren. Oder er kommt einfach im Café vorbei. Freitagvormittags treffen sich dort nur Frauen. Montag- und Mittwochnachmittag steht es allen Bürgerinnen und Bürgern offen. 

 

Am kommenden Samstag, 18. Juni, um 15 Uhr wird das Flüchtlingscafé offiziell eröffnet. Dazu sind alle Bürgerinnen und Bürger herzlich eingeladen.

4 Kommentare

  • Maria Schmelzeisen says:

    Bin schon froh das in Oberwesel und St.Goar sich einige Menschen kuemmern um die Fluechtlinge.Bin in Oberwesel geboren lebe seit 1960 in Nederland.Hier tut man wohl einiges fuer die Fluechtlinge(was ich alles nicht so glaube), das Schlimme dabei ist das man die eigenen Landsmenschen vergisst. Tja so gehts weiter,sieht man so einiges schaemt man sich das man hier wohnt.

  • Tim says:

    Ein sehr guter Beitrag, und ein wichtiger noch dazu!
    In unserem Land läuft doch einiges verkehrt. Es gibt Harz 4, Leiharbeit, keine Zinsen auf der Bank, eine Rente die nicht ausreicht wenn wir so weit sind, und vieles mehr. Aber wir leben in Frieden, die Flüchtlinge hingegen nicht. Man kann und muss einiges Anprangern was unsere Politik macht, aber nicht auf dem Rücken der Flüchtlinge. Das ist es aber was leider ein Teil unserer Gesellschaft macht! Sie Wählen AfD und laufen mit Pegida durch die Straßen und geben den bösen Flüchtlingen die Schuld an allem. Das Leid welches diese Menschen erlitten haben zählt da nichts.
    Ich selbst habe vor ein paar Monaten auf Facebook die Seite der Vierthälerhilfe entdeckt. Dort wurden noch Leute gesucht die bereit sind 1-mal die Woche mit dem Vierthäler Bus die Flüchtlinge zum Einkaufen zu fahren. Seitdem bin ich einer von vielen Helfern. Einer der Flüchtlinge hat bis vor kurzem noch in Winzberg gewohnt. Wenn Du mal dort warst kannst Du Dir vielleicht vorstellen wie schwierig es ist wenn Du mal zum Einkaufen musst ohne Auto, und wie wichtig daher das Angebot von Ehrenamtlichen ist die diese Fahrten anbieten und durchführen. Schön dabei ist auch das man diese Menschen auch kennen lernt. Von der Flucht erzählt kaum einer, was ich aber auch nachvollziehen kann. Aber mit der Zeit bekommt man andere Dinge erzählt. Z.B. gibt es 2 Syrische Männer deren Frauen und Kinder noch in der Türkei sitzen. Der eine Mann hat mir erzählt dass er in seinem Land Lehrer war. Er hat sämtliche Dokumente, aber sein Pass hat er nicht mehr. Deshalb erhält er hier bislang keine Aufenthaltsgenehmigung womit er seine Frau und seine Kinder aus der Türkei nachholen könnte, und er darf auch nicht in die Türkei ausreisen um zu seiner Familie zu kommen. Ja, er würde sofort in die Türkei gehen, obwohl er Kurde ist (die es dort auch nicht einfach haben) nur um bei seiner Familie zu sein. Ich sage es mal so: Diese Menschen haben nicht nur durch Krieg und Verfolgung in ihrem Land gelitten, sondern sie müssen teilweise heute noch einiges erleiden. Umso wütender macht es mich wenn dann Menschen hier nix anderes zu tun haben außer gegen Flüchtlinge zu hetzen. Ich würde mir wünschen dass viele Deinen Beitrag lesen und mal drüber nachdenken. Vielleicht bekommt ja doch noch der ein oder andere einen Ruck und lässt sich mal auf die Flüchtlinge ein. Montags zum Beispiel, da gibt es in Bacharach im Pfarrhaus immer den Flüchtlings Treff. Da kann gerne jeder unverbindlich vorbei kommen um diese Menschen kennenzulernen.