Wo Grenzen überwunden werden – Mein Besuch in der Rhein-Ausstellung in der Bundeskunsthalle

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Viel zu entdecken für Mittelrheiner: Kaub als Vorlage fürs "Kinderzimmer" der Rheinausstellung.

Ein Grund, warum ich damals das Burgenblogger-Projekt übernommen habe: Ich finde den Rhein cool. Ich war schon an seiner Quelle, ich bin auf ihm gepaddelt und habe direkt an seinem Ufer gewohnt. Jetzt hatte ich Zeit, mir die aktuelle Ausstellung zum Rhein in der Bundeskunsthalle anzuschauen. Wer sich noch mal ins Gedächtnis rufen möchte, wie bedeutsam der Rhein für den ganzen europäischen Kontinent ist, sollte sie sich unbedingt anschauen. Und gerade für Mittelrheiner ist das ein oder andere Schmankerl dabei.

Der Rhein war schon immer ein Fluss, an dem Menschen Grenzen überschritten haben. Manchmal auch ihre eigenen. Und damit meine ich nicht dieses Projekt. Für sechs Monate auf eine gottverlassene Burg im Wald zu ziehen, ist zwar auch nicht ganz normal. Aber es ist in keinster Weise vergleichbar mit dem, was andere Menschen am, im und auf dem Rhein geleistet haben. Nehmen wir zum Beispiel Ernst Bromeis. Der Ausdauerschwimmer und Wasserbotschafter durchschwamm für sein Projekt “Das blaue Wunder” 2014 den Rhein von der Quelle bis zur Mündung. Zwei Monate brauchte er für die rund 1230 Kilometer von der Schweiz bis an die Nordsee. Es ist eine der modernen Höchstleistungen, zu denen der Rhein auch heute noch die Menschen inspiriert. In der Bundeskunsthalle in Bonn wird ganz zu Beginn der Ausstellung mit einem kleinen Film auf die Aktion verwiesen. In der Historie dieses Flusses schrumpft selbst eine solche Leistung zur Randnotiz.

“Eine europäische Flussbiografie” ist der Untertitel der Ausstellung, die noch bis zum 22. Januar zu sehen ist. Eine Biografie, die nur ausschnittartig bleiben kann, angesichts einer Geschichte, die Jahrtausende umfasst. Von den alten Römern über die Kaiserzeit und Napoleon geht es bis in die Moderne. Jede einzelne dieser Epochen würde für eine eigene Ausstellung reichen. Dafür geht es im Galopp durch die Geschichte von Europa, die häufig am Rhein gemacht wurde, wenn nicht gleich am Mittelrhein. Der Rhenser Königsstuhl wäre da beispielhaft zu nennen, der Ort, an dem die rheinischen Kurfürsten im 14. Jahrhundert gegen den Papst aufbegehrten.

Natürlich fehlt auch Blüchers Rheinübergang bei Kaub nicht; noch so eine verrückte Tat, die sich einst am Rhein abgespielt hat. Und die wohl jeder Mittelrheiner kennt. Wer häufig in dieser Region unterwegs ist, wird allein schon deshalb Freude an der Ausstellung haben, weil es so viel Bekanntes (neu) zu entdecken gibt. Nicht zum Anfassen, aber immerhin zum Angucken, stehen Modelle der Burgen Pfalzgrafenstein und Stolzenfels in der Ausstellung. Der Germania, die bei Rüdesheim Wache hält, ist gleich ein ganzer Ausstellungsabschnitt gewidmet.  Nettes Detail: Die Ortsansicht von Kaub ist Vorbild für die Gestaltung des Kinderraums gewesen. Dort tauchen Kinder in die Welt der Mythen und Sagen vom Rhein ein.

Was genau den Rhein nun so faszinierend macht? Auch für mich ist das schwer zu sagen. Aber allein die Tatsache, dass es ein eigenes Adjektiv zu diesem Fluss gibt, zeigt doch, dass es hier nicht um irgendeine x-beliebige Wasserstraße geht. Gibt es das sonst noch irgendwo? Das „elbsche“, „innsche“ oder „wesersche“ Lebensgefühl kenne ich jedenfalls nicht. Was das “rheinische” nun genau ausmacht, davon hat vielleicht jeder so seine persönliche Vorstellung. Lebensfreude, Weltoffenheit, Entspanntheit:  Es sind viele Attribute, die wir damit verbinden. In der Regel sind sie positiv besetzt. Nicht mal die Nazis und ihre völkische Propaganda konnten dem guten Ruf des Flusses etwas anhaben, der gerade auf Touristen so “typisch Deutsch” wie sonst wohl nur „Bayern“ wirkt.

Dabei ist der Rhein ein echter Europäer, Kosmopolit durch und durch, der sich nie um Grenzen geschert hat. Auch darum beflügelt er nicht nur zu körperlichen Höchstleistungen. Wo Menschen aller Nationen und Kulturen aufeinandertreffen, suchen seit Jahrhunderten Schriftsteller und Künstler Inspiration, Erkenntnis und einen erweiterten Horizont. Victor Hugo hätte sicherlich einen guten Burgenblogger abgegeben ;) Und wo wir grade beim Bloggen sind: Auch die Bundeskunsthalle schickte zu Beginn der Ausstellung die Journalistin Mirjam Stegherr auf Rhein-Radtour von Konstanz nach Bonn. Irgendwas muss an diesem Fluss dran sein, dass uns einfach keine Ruhe lässt. Wir wollen ihn entdecken, erkunden, erobern auf alle erdenklichen Arten, immer wieder und wieder. Auch ich habe ja schon meine persönliche Rheinerkundungstour hinter mich gebracht.

Insofern erfüllt die Rheinausstellung ein dringendes Bedürfnis vieler Menschen. In dem wir in die Historie des Flusses eintauchen, erfahren wir viel über uns und die Welt, in der wir leben. Der Rhein hat Menschen getrennt, wieder zusammen gebracht und bewegt. Gerade in Zeiten, in denen der „Europäische Gedanke“ nicht unbedingt Hochkonjunktur hat, tut es gut, sich noch mal daran zu erinnern, welche Errungenschaft das Überschreiten von Grenzen ist. Auch der Rhein war mal so eine Grenze. Heute ist er ein Treff der Kulturen; vor allem am Mittelrhein, an den buchstäblich Menschen aus aller Welt reisen.

Überwindet also die Grenzen des Mittelrheintals und macht euch auf den Weg nach Bonn, wenn ihr Zeit habt. Es ist in jedem Fall ein lohnenswerter Besuch für jeden, der an diesem Fluss lebt und mehr über die Geschichte und die Bedeutung seiner Heimat erfahren möchte.

Ausstellung “Der Rhein – Eine europäische Flussbiografie” in der Bundeskunsthalle in Bonn, noch bis zum 22. Januar. Eintritt 12 €, ermäßigt 8 €, Familienkarte 18 €.

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