Schafft den Titel „Weinkönigin“ ab! – Ein Rant über eine veraltete Institution

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Wo ist Heidi Klum, wenn man sie braucht?

Die erste Runde zur Wahl der Deutschen Weinkönigin ist rum. Sarah Hulten vom Mittelrhein ist ausgeschieden und wird den Titel also nicht gewinnen. Ich hätte es ihr schon gegönnt. Aber ganz ehrlich: Vielleicht ist es besser für sie. Meine ganz persönliche Meinung zu diesem Titel: Abschaffen! Und durch einen professionellen Job ersetzen. Denn darum handelt es sich schließlich auch.

Der Horror-Moment bei der Gala zur Wahl der Deutschen Weinkönigin ereignete sich zu späterer Stunde. Die erste Runde war rum, die sechs Finalistinnen gekürt, der “gemütliche Teil” des Abends in der Rheingoldhalle hatte längst begonnen. Zwei der Kandidatinnen standen in der Nähe unseres Tisches, als plötzlich ein älterer Herr um die 80 zwischen die beiden trat und beherzt seine Arme um die beiden Frauen schlang. “Gleich zwei Weinköniginnen”, lallte er fröhlich, zwang die bedauernswerten Frauen noch zu einem Foto, bevor er zum guten Schluss aus voller Kehle “So ein Tag, so wunderschön wie heute” anstimmte. Die Weinköniginnen ertrugen es professionell und mit gequältem Lächeln. Aus der hartnäckigen Umklammerung des Greises mussten sie dennoch mit schwerem Gerät befreit werden.

Es war für sie die letzte einer Reihe von Peinlichkeiten, die sie an diesem Abend erdulden mussten. Nicht nur Begebenheiten wie diese, der ganze Abend hat mir gezeigt: Der Titel der “Weinkönigin”, so wie er zur Zeit gelebt wird, ist ein Auslaufmodell. Fangen wir bei der Show des SWR an: Eine Zumutung für klar denkende Menschen. Wahrscheinlich läuft diese Veranstaltung beim Sender unter dem Label “Unterhaltung”. Aber wer sowas unterhaltsam findet, hält wahrscheinlich auch die Gelben Seiten für einen Roman von Michael Crichton. Nichts passt zusammen: Erst müssen sich die Kandidatinnen einer für Laien nicht nachvollziehbaren Fachbefragung stellen. Wenn das spannend ist, können wir demnächst auch die Prüfung zum Physicum unter dem Titel “Deutschlands beste Mediziner” live aus den Unikliniken übertragen.

Nein, das ist kaum fernsehtauglich, das wissen sie auch beim SWR. Also wird ein “lustiges”, aber für den Zuschauer ebenso irrelevantes Spielchen eingebaut: Zu einem vorgegebenen Stichwort („Steillage“) müssen zwei oder drei der Kandidatinnen zugehörige Begriffe („Mittelrhein“) nennen. Vom Niveau her sind wir hier zwischen Kindergeburtstag und missglücktem Spieleabend. Mindestens genauso schlimm: Vorgestellt wurden die Kandidatinnen in gleichförmigen, von schnulziger Popmusik unterlegten Einspielern. Obligatorisches Bild: Frau im Weinberg zwischen Reben. Geht ja um Wein. Dann erfuhren die Zuschauer so spannende Dinge wie, dass “ ich gerne mit der Familie und Freunden zusammen sitze und ein Glas Wein trinke” (Originalzitat einer random Weinkönigin). Dabei sah man die jeweilige  Frau, wie sie – genau – mit Familie und Freunden zusammensaß, und ein Glas Wein trank. Da fällt man vom Hocker. Vor Müdigkeit. Aber dieses Fernsehen von vorgestern passt zum Zeitgeist der Institution Weinkönigin.

Lieber SWR! Wenn ihr schon Germany’s Next Topmodel spielen wollt, macht es doch richtig: Bundesweites Casting, jede(r) darf mitmachen, in zehn Folgen mit verschiedenen Aufgaben müssen die besten Bewerber*innen ihr Know-How in Sachen Wein unter Beweis stellen. Am Ende entscheiden Publikum und Jury in einem Voting darüber, wer den Titel erhält. Die Frage ist nur: Will man so eine Weinkönigin haben? Sucht man nicht eine professionelle Repräsentantin des deutschen Weines? Und ja, ich weiß: Es kommt noch eine zweite Runde, die mehr spielerische Elemente enthalten wird. Ich verspreche schon jetzt, dass das an meiner Meinung nichts ändern wird.

Diese bräsige Inszenierung ist weder der Aufgabe noch den Kandidatinnen angemessen. Da standen Unternehmerinnen, Akademikerinnen, absolute Fachfrauen in ihrem Metier auf der Bühne. Viele sind längst Winzerinnen und arbeiten in ihren eigenen Betrieben mit, wie Sabrina Becker aus Rheinhessen oder Lena Endesfelder von der Mosel. Sandra Warzeschka aus der Region Saale-Unstrut hat einen Abschluss in Physik. Andere (wie Sarah Hulten vom Mittelrhein) haben ein Wirtschafts- oder PR-Studium beendet. Diese hochqualifizierten, gut ausgebildeten Frauen müssen sich in einer Mischung aus schlechter Casting-Show und Nuller-Jahre-Assessment-Center öffentlich vorführen lassen. Geht’s noch?

Jeder, mit dem ich zuletzt gesprochen hat, hat mir bestätigt, dass Weinkönigin ein Knochenjob ist. Dann soll das Deutsche Weininstitut ihn bitte auch so behandeln. Speist diese Frauen nicht mit ein paar hübschen Kleidchen und etwas Taschengeld ab! In jedem Unternehmen hätte eine Weinkönigin mindestens “Junior PR Managerin” auf der Visitenkarte stehen. Ich bin selten mit Julia Klöckner einer Meinung, aber der Titel “Weinkönigin” ist nicht mehr zeitgemäß und gehört abgeschafft. “Offizielle Botschafterin des Deutschen Weins” finde ich nicht schlecht. Dazu gibt es eine sozialversicherungspflichtige Festanstellung beim DWI mit allem, was dazugehört. Das würde nicht nur ein schönes Zeichen in Richtung “gleiche Gehälter für Männer und Frauen” setzen. Es würde den ganzen Job attraktiver für Bewerberinnen machen.

Wäre das das Ende der Wahl der Deutschen Weinkönigin? Vermutlich. Wäre der schöne Marketing-Effekt der Weinkönigin dann weg? Möglich, aber nicht unbedingt. Eine herausgehobene Werbefigur wäre eine Weinbotschafterin ja nach wie vor, im Ausland ohnehin. Allerdings eine mit einem professionellen Job-Profil und vernünftigem Standing in der Branche. Das finde ich in der Außenwirkung auch nicht so verkehrt. Sicher bin ich mir allerdings bei einer Sache: Auf Bilder von alten Männern, die sich im Suff gröhlend an jungen Frauen festhalten, können alle verzichten. Die Weinköniginnen am allermeisten.

4 Kommentare

  • Neugierig geworden, habe ich die zweite Fernsehfolge eingeschaltet. Ihr Artikel trifft den Nagel auf den Kopf. Das ist ja wirklich eine grauenhafte Veranstaltung! Ich bin jetzt wieder raus. Mehr als zwanzig Minuten kann ich mir das nicht antun. Freundliche Grüße

  • Andreas Peter says:

    Herrlich sehr gut beobachtet, ich war beruflich als Fotograf da und könnte ähnliche Beobachtungen nach der Veranstaltung beobachten. Widerliche besoffene Männer die sich ganz toll vorkamen das sie Junge Frauen anbaggern könnten. Die ganze Veranstaltung ist Schwachsinn vom niedrigstem Niveau.

  • Ich finde der Titel Weinkönigin hat Tradition und sollte behalten werden.
    Aber finanziell ist die „Bezahlung“ ein Witz. Hier gehört der Weinkönigin die selbe Bezahlung wie der Geschäftsführerin vom Deutschen Weininstitut.