Der Zauber der Deutschen Weinkönigin – Weinjournalistin Gisela Kirschstein antwortet auf meinen Rant

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Von links: Weinprinzessin Mara Walz aus Württemberg, die 68. Deutsche Weinkönigin Lena Endesfelder von der Mosel und Weinprinzessin Christina Schneider aus Franken. Foto: DWI

Für meinen Rant über die Wahl der Deutschen Weinkönigin habe ich viel Zuspruch bekommen von Leuten, die ähnlich denken wie ich. Die Mainzer Journalistin Gisela Kirschstein schreibt über Wein, Politik und auf ihrer Seite Mainz& über ihre Heimatstadt. Und sie ist Mitglied der Weinköniginnen-Jury. Auf Facebook hatte sie bereits den Titel „Weinkönigin“ verteidigt. Daraufhin habe ich sie gebeten, ihre Gedanken in einem Gastbeitrag für das Burgenblog auszuführen. Hier ist ihr (natürlich ungekürzter und unbearbeiteter) Text, in dem sie mir in ein paar Punkten recht gibt. Aber vor allem sagt: Weinkönigin abschaffen? Das wäre schön blöd!

Da haben wir sie also, die strahlende Siegerin, die frisch gekürte neue Deutsche Weinkönigin, und wer das live und vor allem vor Ort miterlebt hat, weiß: Es ist ein großes Fest. Strahlende Gesichter, feiernde Menschen. Ein ganzes Anbaugebiet ist aus dem Häuschen, ein bestimmtes Dorf sowieso: WIR sind WEINKÖNIGIN!!!

Wer das einmal miterlebt hat, vergisst leicht den Blick von außen, den des unbedarften Zuschauers. Der vielleicht heute Abend vor dem Fernseher saß und nur dachte: Wie banal. Wie piefig. Wie peinlich. Weinkönigin – ist doch völlig veraltet. Oder?

Schafft den Titel Weinkönigin ab!“ forderte der Burgenblogger hier nach dem Vorentscheid, und sprach von einer „veralteten Institution“ und einer Show, die eine Zumutung für denkende Menschen sei. Nun, an der Show des Südwestrundfunks lässt sich mit Fug und Recht einiges kritisieren – in der Tat sind die Vorstellungsfilme der Kandidatinnen in die Jahre gekommene, ziemlich inhaltsleere Schönwetterbildchen, die wenig bis gar nichts über die wahren Kandidatinnen verraten. Und die Spielchen in der Sendung – nun, es ließe sich sicher einiges besser machen.

Aber das sagt sich so leicht: Wer erfindet denn mal moderne, pfiffige Spiele, die Weinwissen transportieren, die Kandidatinnen fordern, ihnen gleichzeitig die Möglichkeit geben, ihre Persönlichkeit zu präsentieren – und dann auch noch den Zuschauer unterhalten? Was ist denn die Alternative? Eine Casting Show à la RTL mit einem pöbelnden Dieter Bohlen? Das hätte mit dem Thema Wein mit Sicherheit nur noch marginal etwas zu tun – und würde die Weinkönigin beliebig und austauschbar machen. Und genau das ist sie eben gerade jetzt nicht.

Wer mal erlebt hat, wie auf Festen, Messen, Veranstaltungen die Leute sich umdrehen, wenn die Weinkönigin kommt, weiß: Die alte Institution übt noch heute eine enorme Faszination aus, in vielen bundesdeutschen Gegenden fernab der Weinregionen, im Ausland sowieso. Ich habe oft erlebt, wie beim Titel „Weinkönigin“ Menschen aufhorchen, sich umdrehen, Selfies wollen – “a Queen”, das ist noch immer etwas Besonderes.

Denn die „WeinKÖNIGIN“ weckt Emotionen, und über Emotionen, Träume, Assoziationen erreicht man Menschen. Wer würde denn schon eine „Botschafterin des Weins“ buchen? Wen reißt das vom Hocker? Niemanden! Aber die Queenies from Germany – das hat außer uns niemand. Das fasziniert, weckt Interesse und viele Fragen.

Josefine Schlumberger (hinten) krönt ihre Nachfolgerin Lena Endesfelder.
Josefine Schlumberger (hinten) krönt ihre Nachfolgerin Lena Endesfelder. Foto: DWI

Und das Staunen ist groß, wenn dann da eine junge Fachfrau steht, die selbst Weinberg und Keller kennt, aber modern und jung über Wein redet. Und was eine Weinkönigin alles können muss, hat die scheidende Josefine Schlumberger ja heute Abend eindrucksvoll beschrieben: Rednerin, Businessfrau, Autobahnpiratin, Weltreisende, Journalistin, Fußballerin, Rennradfahrerin, Weinfachfrau. Und, sagte Josefine noch, „ich war Vorbild, für kleine Mädchen, aber auch etwas größere.“ Vorbild – das ist die Deutsche Weinkönigin heute noch.

Und eines hat der Vorentscheid eben auch wieder mit aller Deutlichkeit gezeigt: Gut aussehen allein reicht nicht. Sich PR-mäßig gut verkaufen können, reicht ebenfalls nicht. Brennen muss man für die Weinwelt, sich exzellent in Sachen Wein auskennen – ohne das geht’s eben nicht. Und das aus guten Gründen: Wir können es uns einfach nicht leisten, eine Weinkönigin ins Ausland zu schicken, die den Unterschied zwischen Perlwein und Sekt nicht richtig erklären kann oder nicht vermitteln kann, wie steil unsere Steillagen sind.

Deshalb macht es viel Sinn, nicht einfach irgendwelche PR-Frauen anzuheuern, sondern junge Frauen aus der Weinbranche selbst. Soll man die Weinkönigin etwa mit einem intransparenten Job-Verfahren hinter verschlossenen Türen küren, wo irgendwelche Funktionäre das Mädel auswählen, dessen Vater mit ihnen befreundet ist? Die Fernsehshows wurden erfunden, um genau das zu verhindern.

Und es macht richtig viel Sinn, als Kandidatinnen Mädels zu nehmen, die schon mal ein Jahr lang als Gebietsweinkönigin gearbeitet haben: das übt, zeigt ob man den Job wirklich machen will und entdeckt Talente aus der Weinbranche. Die Weinkönigin ist ein Ausbildungsjob, der die jungen Frauen in dem einen Jahr zu Profis macht. Deshalb werden die Mädels schon jetzt von der Branche hoch geschätzt, die Jobchancen danach sind exzellent, die Kontakte wertvoll. Das ist auch offen für andere Berufe – um ein Haar wäre eine Psychologin (Christina Schneider aus Franken)* Deutsche Weinkönigin geworden.

Dass sie es nicht wurde, hat sie allein dem letzten Spiel zu verdanken: Die Rede, die sie am Ende hielt, war einfach zu Selbst-Bezogen, zu wenig locker, zu wenig Wein-relevant. Denn das ist durchaus der Sinn der „Spielchen“ auf der Bühne: Wir, die Jury, schauen dann nämlich darauf, wer fix reagieren kann, witzig ist, wer auch mal vom Skript abweicht. Wer den Wein in den Vordergrund stellt, aber trotzdem mit Persönlichkeit glänzen kann – Lena hat genau das bewiesen. Und die Jury hat ein feines Gespür dafür, gerade weil viele von uns seit Jahren die Weinkönigin wählen – ich tue das seit 15 Jahren. Die 70-köpfige Jury wiederum ist so groß und so heterogen zusammengesetzt, dass gesichert ist, dass nicht eine Gruppe älterer Männer nur auf lange Beine und lange Haare guckt ;-)

Und ja, man kann an den Shows sicher vieles kritisieren, aber sie haben auch eines erreicht: Sie kreieren eine enge Verbindung zur Weinbranche, und zwar nicht zu den Funktionären, sondern zu den ganz normalen Menschen. Da reisen Dutzende von Fanclubs aus allen Weinbaugebieten der ganzen Republik an, schwenken Fähnchen, malen Transparente, fiebern mit IHRER Kandidatin mit. Und das sind beileibe nicht nur ältere Leute, darunter sind viel Junge. Und lieber Burgenblogger, Du müsstest mal erleben, wie es bei den Empfängen in den Heimatdörfern der frisch gewählten Weinkönigin zugeht – was da für ein Stolz herrscht, welche Freude, welche Begeisterung!

Nein, die Weinkönigin ist beileibe kein Auslaufmodell, ihr Zauber ist genau dieses Spiel mit dem romantischen Alttitel und der modernen Professionalität. Das kaputt zu machen hieße, die Weinkönigin beliebig zu machen – und sie abzuschaffen. Die Shows verbessern, junge, neue Elemente reinbringen – bitte, sofort! Lasst junge Filmemacher die Vorschaufilmchen drehen, holt Euch junge Winzer aus der Branche als Ratgeber – wir haben sie doch, die Jungen, die die Branche rocken! Beamt die Deutsche Weinkönigin-Show ins 21. Jahrhundert!

Aber die Deutsche Weinkönigin abschaffen? Wir wären schön blöd, wenn wir das täten.

giselaGisela Kirschstein ist politische Korrespondentin & Weinjournalistin in Mainz sowie Chefredakteurin & Gründerin der Internetzeitung Mainz&. Die Wahl der Deutschen Weinkönigin verfolgt sie seit 15 Jahren, davon rund ein Dutzend Mal in der Jury.

*in einer früheren Version stand hier, dass Mara Walz aus Württemberg Psychologie studiert hätte. Nach einem Hinweis habe ich das korrigiert.

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